Berlin – Deutschlandweit initiieren Universitäten, Turnverbände, Wandervereine, Krankenkassen, Organisationen und viele mehr Projekte zur Verhältnisprävention an Schulen und Kitas. Das Ziel lautet: Übergewicht verhindern. Im Rahmen eines Ideen­wettbewerbs hat die Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V. (GVG) jetzt 37 Praxisbeispiele aus 58 Bewerbungen ausgewählt, die besonders vielversprechend erscheinen.

Die ausgewählten Projekte erfüllen die Rahmenbedingungen für ein gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in Familien, Kindertagesstätten, Schulen, Wohnquartieren, Kommunen oder Freizeiteinrichtungen. In einer Praxisdatenbank können sich Interessierte passende Initiativen zum Schwerpunkt Ernährung, Bewegung oder Stress heraussuchen.

Ob die Projekte Übergewicht tatsächlich verhindern können, wurde zumindest im Rahmen von Studien noch nicht ausgewertet. „Die Evidenzlage ist sehr dünn. Ob Projekte zur Verhältnisprävention langfristig etwas bringen, können wir nicht sicher sagen – auch wenn einige zuversichtlich stimmen“, äußerte sich Jens Bucksch von der Pädagogischen Hochschule betont zurückhaltend bei der Abschlussveranstaltung des Ideenwettbewerbs diese Woche in Berlin. Meist kämen Studie zu dieser Thematik nicht aus Deutschland. Das müsse sich ändern, wenn man Projekte als festen Bestandteil in Schulen und Kitas integrieren wolle.

Zwei Beispiele für Projeke, die kontrollierte Studien durch­führen sind Trink!Wasser, die seit 2010 eine kostenlose Trinkwasserversorgung in Schulen und Kindertageseinrichtungen in der Stadt Osnabrück und im Landkreis anbietet, und Jolinchen Kids, die eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und seelisches Wohlbefinden im Setting Kita fördert. Trink!Wasser führt eine kontrollierte Evaluation mit mindestens 176 Kin­dern pro Gruppe durch. Bei Jolinchen Kids führt das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemio­logie im Auftrag der AOK seit Anfang 2016 einen bundesweiten Cluster-Controlled Trail in rund 30 Inter­ventionskitas und 30 vergleichbaren Wartekontrollkitas durch. Zu mehreren Messzeitpunkten werden Gesundheitsparameter wie etwa Gewicht, motorische Fähigkeiten, Ernährungs- und Bewegungsverhalten und seelisches Wohlbefinden der Kinder erfasst. Die Ergebnisse der Evaluation erwartet die AOK etwa im zweiten Quartal 2018.

Bei der Abschlussveranstaltung des Ideenwettbewerbs zeigte sich deutlich, dass in einem nächsten Schritt auch die Politik gefragt ist, mehr Verantwortung zu über­nehmen. Maria Becker, Leiterin der Unterabteilug Prävention im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) will wegkommen von der „Projektitis“, die sie auf die instabile Finanzierung zurückführt: „Die Bandbreite der Projekte finde ich toll. Jetzt gilt es, aus den vielen Ideen die Teile zu identifizieren, die wir je nach Bedarf ähnlich einem Bau­kasten zusammensetzen können.“ Zusammen mit der GVG will Becker basierend auf der Praxisdatenbank ein solches Baukastensystem entwickeln.

Die Moderation der tollen Projektpräsentation und der Podiumsdiskussion hat der Geschäftsführerin DVGS,Angelika Baldus, viel Freude gemacht.

© gie/aerzteblatt.de, 15.09.2017
Quelle: www.aerzteblatt.de