DVGSDVGSHürth-Efferen, 07.04.2016 ─ Der Deutsche Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie e. V. (DVGS) macht anlässlich des Weltgesundheitstages am 07.04.2016 auf die Bedeutung von körperlicher Aktivität für Prävention und Gesunderhaltung aufmerksam. In Zeiten, in denen weltweit immer mehr Menschen einen inaktiven Lebensstil pflegen, steigt die Zahl sogenannter Zivilisationskrankheiten wie Diabetes mellitus oder Adipositas stetig an. Deshalb muss das politische Leitmotiv lauten: Mehr bewegen und weniger sitzen. Die positive Wirkung von Bewegung auf die Gesundheit ist inzwischen wissenschaftlich hinreichend belegt. Trotzdem mangelt es nach wie vor an klaren Präventions- und Umsetzungsstrategien seitens der Politik und der Kostenträger. So bleibt eine Diskrepanz zwischen Evidenz und Anwendung zu beobachten, die der DVGS aktiv seit mehr als 30 Jahren zu überwinden hilft.

Annähernd 3000 Mitglieder des DVGS bieten bundesweit flächendeckend qualitätsgesicherte Bewegungsprogramme für Menschen in jeder Lebensphase und allen Lebenswelten. DVGS-Sport- und Bewegungstherapeuten sind hochqualifiziert und sehr erfahren in der Konzeption und Umsetzung von Bewegungsprogrammen, die bei vielen Erkrankungen erfolgreich zum Tragen kommen. Sie wirken in Krankenhäusern, Medizinischen Versorgungszentren, stationären und ambulanten und Rehazentren, Kliniken und Physiotherapiepraxen sowie in Fitness- und Gesundheitszentren, Vereinen, Betrieben und in Seniorenheimen. Doch leider erschweren gewisse Rahmenbedingungen in Deutschland eine flächendeckende Versorgung mit bewegungstherapeutischen Interventionen.

Medizinischer Fortschritt kann die Zivilisationskrankheiten nicht aufhalten

Durch die medizinischen Entwicklungen der vergangenen 100 Jahre verdoppelte sich die Lebenserwartung in der westlichen Welt beinahe. Auch die Infektionskrankheiten als unangefochtene Todesursache Nummer Eins wurde ins Hinterfeld gedrängt. Dennoch geht das Informationszeitalter nicht nur mit gesundheitlich positiven Entwicklungen einher. Vielmehr zeichnet es sich geradezu durch eine pandemieähnliche Verbreitung sogenannter Noncommunicable Diseases (NCDs - nicht übertragbare Krankheiten) aus. Gemeint sind Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2 sowie die bösartigen Neubildungen, deren Prävalenz in den vergangenen Jahrzehnten gewaltig anstieg. Die Folge für die Betroffenen sind signifikante Einbußen an Lebensqualität und Lebenszeit und für die Gesellschaft hohe gesundheitsökonomische Kosten.

Zu wenig berücksichtigt: Bewegung als Präventionsmaßnahme

Bewegung als Präventionsmaßnahme ist ein äußerst nützliches Werkzeug. Dies zeigt eine erdrückende Masse an Evidenz sowohl in der Primär-, Sekundär- als auch Tertiärprävention dieser NCDs. Betrachtet man jedoch, wie sich gesundheitspolitische Verantwortungsträger dieser Datenlage seit Jahren (nicht) annehmen, wird die hohe Diskrepanz zwischen Evidenzlage und Anwendung deutlich. Beispielsweise existiert momentan keine adäquate Präventionsstrategie seitens der Kostenträger.

Ebenso mangelt es an der ausreichenden Implementierung und Umsetzung von Bewegungsleitlinien und -konzepten in den Disease-Management-Programmen. Diese berufen sich zwar auf die Grundsätze der evidenzbasierten Medizin, ignorieren jedoch geflissentlich die Evidenz für körperliche Aktivität gerade im Bereich des Diabetes mellitus Typ 2, des Brustkrebs oder der koronaren Herzerkrankung.

Sport ist nicht gleich Bewegung

Als problematisch erweist sich in diesem Kontext auch die definitorische Ungenauigkeit des Begriffs Sport. Er wird allzu oft synonym für Bewegung und körperlicher Aktivität verwendet. Symptom hiervon ist die Delegation von gesundheitsorientierten Bewegungsangeboten auf den organisierten Sport, dessen Kompetenz aber – mit wenigen Ausnahmen – weder in der Konzeption von gesundheitsorientierten Programmen liegt, noch in der Bereitstellung von hinreichend qualifizierten Fachkräften, die über ausreichend bewegungswissenschaftliches Know-How verfügen.
Zudem ist eine stetig wachsende aber völlig ungeregelte Fitnessindustrie zu beobachten, die zwar vielerorts mit dem Slogan „Gesundheit“ wirbt, jedoch in den meisten Fällen über keinerlei Qualifikation im therapeutischen Bereich verfügt.

Bewegungsförderung politisch positionieren

Vorteilhaft wäre es, wenn die bewegungstherapeutischen Interessen über eine Vertretung, z.B. in Form eines eigenen Referates, im Gesundheitsministerium verfügen würden. Bisher ist dies jedoch nicht der Fall. Es fehlt dort an Experten, die sich über den organisierten Sport hinaus auf wissenschaftlicher Ebene mit Bewegungsfragen auseinandersetzen. So werden die multidimensionalen Effektbündel körperlicher Aktivität gesundheitspolitisch zu wenig beachtet. Hier steht die Sportwissenschaft in Deutschland in der Pflicht, in dem sie diesem Bewegungsverständnis endlich eine Bresche schlägt.

„Es ist unserer Gesellschaft zu wünschen, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Bewegungsförderung langsam auch in das Bewusstsein der Entscheidungsträger in der Politik und bei den Kostenträgern gelangen, denn so könnte vielen Betroffenen kostengünstig und effektiv geholfen werden“, zieht Prof. Dr. Gerhard Huber, Ehrenvorsitzender des DVGS, das Fazit. Deshalb unterstützt der DVGS u.a. die „Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb)“. Sie ist ein Bündnis mit über 100 Mitgliedern aus öffentlicher Hand, Wissenschaft, Wirtschaft, Sport, Gesundheitswesen und Zivilgesellschaft. Sie alle setzen sich bei peb aktiv für eine ausgewogene Ernährung sowie regelmäßige und ausreichende Bewegung als wesentliche Bestandteile eines gesundheitsförderlichen Lebensstils bei Kindern und Jugendlichen ein. „Diese Initiative entspricht dem Ziel des DVGS, und deshalb beteiligen wir uns aktiv an den Projekten. Wir wollen Menschen zu einem gesundheitsförderlichen aktiven Lebensstil und mehr Bewegung anleiten.“, so Geschäftsführerin des DVGS, Angelika Baldus.