S. Fritz.

D. FritzD. FritzGleich zwei Entscheidungen aus dem Jahr 2015 zur GEMA-Pflicht geben Anlass, über dieses Thema in diesem Artikel zu berichten. Die Entscheidung des Landgerichts Köln (EuGH – Vorlage vom 20.02.2015, Aktenzeichen: 14 S 30/14) betrifft ein Rehabilitationszentrum. Das Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 18.06.2015, Aktenzeichen: I ZR 14/14) betrifft eine Zahnarztpraxis. Auch bei Praxen von Sport- und Bewegungstherapeuten stellt sich immer wieder Frage der GEMA-Pflicht, wenn GEMA-pflichtige Werke abgespielt werden. Beide Entscheidungen müssen sich im Kern mit der Frage beschäftigen, ob eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne des Urheberrechts vorliegt oder nicht. Denn nur im ersteren Fall stellt die Ausstrahlung der Inhalte einen Eingriff in das ausschließliche Nutzungsrecht der Rechteinhaber dar. Folge eines solchen Eingriffs wäre der Anspruch auf eine angemessene Vergütung für die Inanspruchnahme der entsprechenden Nutzungsrechte. Der für die „öffentliche Wiedergabe“ Verantwortliche müsste also GEMA-Gebühren zahlen, soweit nicht ausschließlich GEMA-freie Musik abgespielt wird.
Die Entscheidungen können nicht unterschiedlicher ausfallen, wobei die Entscheidung des Landgerichts Köln noch nicht rechtskräftig ist. Das Landgericht Köln hat vielmehr einige Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt und diese Entscheidung steht noch aus. Gleichzeitig vertreten die Kölner Richter in ihrem Vorabentscheidungsersuchen eine klare Rechtsauffassung. Nach Ansicht der Kölner Richter ist im Fall des Rehabilitationszentrums eine öffentliche Wiedergabe gegeben. DemgeAufentgenüber kommt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zur Zahnarztpraxis zu der Auffassung, dass die Wiedergabe von Hörfunksendungen in Zahnarztpraxen im Allgemeinen nicht öffentlich und damit auch nicht vergütungspflichtig ist.

Sachverhalt – Rehabilitationszentrum

Wie in vielen Sport- und Rehabilitationszentren üblich, verfügt auch das vor dem Landgericht Köln klagende Reha-Trainingszentrum über eine Reihe von Fernsehgeräten, über die regelmäßig urheberrechtlich geschützte Sendungen und Videos ausgestrahlt werden. Die Patienten des Zentrums können so unter anderem während ihrer Trainingseinheiten, aber auch während Wartezeiten, das jeweilige Programm verfolgen. In dem konkreten Fall des Landgerichts Köln ging es um ein Fernsehgerät in einem Trainingsraum sowie zwei Fernsehgeräten in zwei Warteräumen.

Rechtlicher Hintergrund

Der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ ist unionsrechtlich definiert. Er findet sich sowohl in Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft sowie in Artikel 8 Abs. 2 der Richtlinie zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums. Im deutschen Urheberrecht ist das Recht zur öffentlichen Wiedergabe in § 15 Abs. 2 und Abs. 3 Urhebergesetz normiert.
Der Europäische Gerichtshof hat 2012 in seiner sogenannten SCF-Entscheidung (Urteil vom 15.03.2012, Az.: C-135/10) Ausführungen zur Auslegung des Begriffs der „öffentlichen Wiedergabe“ von urheberrechtlich geschützten Werken gemacht. Im Falle der Wiedergabe von Hintergrundmusik in einer Zahnarztpraxis lag, so das Gericht, keine öffentliche Wiedergabe vor. Diese sei jedoch zu bejahen, wenn Hotelbetreiber in ihren Gästezimmern Fernsehund Radiogeräte zur Verfügung stellen. Der Musiknutzer, so das Gericht, muss sich gezielt an ein Publikum im Sinne einer unbestimmten Zahl von Hörern wenden, für das die Wiedergabe vorgenommen wird und das dafür auch aufnahmebereit ist und nicht bloß „zufällig“ erreicht wird. Ein wichtiges Kriterium ist auch, ob die „öffentliche Wiedergabe“ Erwerbszwecken dient. Patienten eines Zahnarztes begeben sich nach dem Urteil des EuGH nur zu dem einzigen Zweck in eine Zahnarztpraxis, um sich dort behandeln zu lassen. Anders im Bereich des Hotelgewerbes. Dort will der Hotelier durch die Fernseh- und Radiogeräte sein Angebot verbessern. Deshalb hat, so der EuGH, der Hotelier eine angemessene Vergütung zu zahlen. Den Zahnarzt traf in der Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2012 keine Zahlpflicht (vgl. EuGH
aaO).

Vorlagefragen

Das Landgericht Köln möchte vom Europäischen Gerichtshof nunmehr im Wesentlichen wissen, ob es seine Rechtsprechung im Sinne der Entscheidung des EuGH aufrechterhält. Dabei geht es um ein Rehabilitationszentrum, zu dessen Geschäftsräumlichkeiten auch zwei Aufent haltsräume und ein Trainingsraum gehören, in denen das Rehabilitationszentrum über dort installierte Fernsehgeräte Fernsehsendungen wiedergab, die von den dort sich aufhaltenden Personen wahrgenommen werden konnten. Bei diesen Personen handelt es sich (überwiegend) um Patienten, die sich zur (Nach-)Behandlung in das Rehabilitationszentrum begeben haben.

Entscheidung

Wie bereits ausgeführt, hat das Landgericht Köln den EuGH zur Vorabentscheidung angerufen. Dennoch hat das Landgericht Köln in dem konkreten Fall des Rehabilitationszentrums seine Auffassung klar dargelegt. Nach Ansicht des Landgerichts Köln liegt eine öffentliche Wiedergabe im Fall des Rehabilitationszentrums vor. Es scheint so, dass das Landgericht Köln erreichen möchte, dass der EuGH seine Entscheidung aus dem Jahr 2012 nochmals überdenkt. Abzuwarten bleibt jedoch, inwiefern sich der EuGH dazu veranlasst sieht.

Sachverhalt – Zahnarztpraxis

Bei dem nach der Entscheidung des Landgerichts Köln vom BGH entschiedenen Fall ging es um Musik im Wartezimmer eines Zahnarztes. Dieser hatte 2003 mit der GEMA (der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) einen Vertrag geschlossen, um Musik in seinem Wartezimmer spielen zu können. 2012 stellte der Arzt die Zahlung ein und kündigte den Vertrag fristlos. Er fand, dass er nach dem Urteil des Gerichtshofs
der Europäischen Union aus dem Jahr 2012 nicht mehr für die Wartezimmermusik zahlen müsste.

BGH

Der Bundesgerichtshof urteilte, dass für die Radiomusik im Wartezimmer des Zahnarztes keine Gebühren zu zahlen sind. Dies begründete der BGH damit, dass die Musik in einer Praxis nicht öffentlich vorgeführt wird. Eine Vergütungspflicht konnte deswegen nicht bestehen. Da der Vertrag von dem Arzt wirksam gekündigt worden war, konnte ab diesem Zeitpunkt keine neue Zahlung verlangt werden.

Fazit

Eine Gebührenpflicht für im Wartezimmer einer Arztpraxis im Hintergrund abgespielte Radiomusik besteht nicht. Nichts anderes gilt unseres Erachtens für andere Therapiepraxen. Die GEMA kann deswegen von diesen kein Geld verlangen. Therapeuten, deren Verträge mit der GEMA noch laufen, können diese daher ebenfalls kündigen.
Ob sie bestehende Lizenzverträge nun fristlos kündigen können, ist höchstrichterlich zwar noch nicht entschieden. Es gibt allerdings keine Gründe für eine Ungleichbehandlung
von Zahnärzten und anderen Therapeuten. Wer bereits einen Lizenzvertrag geschlossen hat, kann den Vertrag aber auch fristgerecht kündigen.
Neue Verträge sollten mit Verweis auf die neue Rechtsprechung gar nicht erst geschlossen werden. Beachte: All dies gilt nur für Hintergrundmusik in Arzt- und anderen Therapiepraxen. Wer bei Behandlungen und Gruppenangeboten Musik abspielt, muss einen gültigen Lizenzvertrag mit der GEMA haben. Jedenfalls liegt hierzu noch keine anderslautende höchstrichterliche Entscheidung vor. Alternativ kann auf GEMA-freie Musik zurückgegriffen werden. Bei Fernsehgeräten in Therapieräumen ist ebenfalls noch Vorsicht geboten. Dies ist noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt.

Online zu finden unter http://dx.doi.org/

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Dr. Sue Fritz
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