Bewegung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Prävalenz körperlicher Aktivität und Empfehlungen zu Bewegungsverhalten und Sitzzeiten

Die positive physiologische Wirksamkeit von Bewegung ist unumstritten. Gerade bei Erwachsenen ist die Evidenzlage erdrückend. Dass Bewegung bereits im Kindes- und Jugendalter wichtig und gesund ist, wird kaum jemand in Frage stellen. Die WHO empfiehlt für Kinder- und Jugendliche einen täglichen Aktivitätsumfang von 60 Minuten [1]

 

Bewegungsverhalten

Die Bewegungsempfehlungen der WHO erreichen allerdings nur ein Bruchteil der Kinder und Jugendlichen. Im internationalen Kontext wird dieser durch die WHO, auf etwas über 20% geschätzt [1], eine umfangreiche Meta-Analyse europäischer Kohortenstudien bestätigt diese Ergebnisse, wonach lediglich 33% der Kinder und 24% der Jugendlichen die Empfehlungen erfüllen [2]. Für Deutschland stellte die repräsentative KIGGSStudie fest, dass 2014-2017 ca. 22,4% der Mädchen und 29% der Jungen zwischen 3 und 17 Jahren die WHO-Empfehlungen erreichen. Den Ergebnissen zufolge bewegen sich Jungen mehr als Mädchen gleichen Alters. Zudem ist ein negativer Alterstrend zu erkennen. So sind immerhin noch 50-60% der 3-Jährigen ausreichend  körperlich aktiv, mit 17 erfüllen jedoch nur noch 7,5% der Mädchen bzw. 16% der Jungen die Empfehlungen [3].  Dieser negative Alterstrend bestätigt sich umgekehrt bei Sitzzeiten, die mit steigendem Alter im Schnitt zunehmen [4].

In der Schule bzw. im Schulsport und in den Schulpausen bewegen sich Kinder deutlich weniger als erwartet. Im Sportunterricht sind sie durchschnittlich gerade einmal 15 Min., d. h. ein Drittel der Zeit, körperlich aktiv während sie sich in den Pausen im Schnitt sogar nur knapp 7 Min, der durchschnittlich 30 Min. langen Pause bewegen [5].

Für den Zusammenhang zwischen der Mediennutzung und körperlicher Aktivität lässt sich festhalten, dass es so zu sein scheint, dass eine extrem hohe Mediennutzung (10 Std. bei Jungs und 6 Std. bei Mädchen) keine Zeit mehr für körperliche Aktivität zulässt, ein moderater Medienkonsum (4-5 Std bei Jungs, 2,5 Std. bei Mädchen) allerdings mit einer hohen wöchentlichen Aktivitätszeit vereinbar ist [6].

Für den Vereinssport ist bei Kindern der zweiten KIGGS-Welle (Geburtsjahre 2009-2012) gegenüber denen der ersten Welle (Geburtsjahre 2003-2006) ein Zuwachs der Vereinsmitgliedschaften (53,5% à 61,5%) und der wöchentlichen Bewegungszeit (89 Min. à 125 Min.) zu verzeichnen. Im Gegenzug nahm Bewegung im unorganisierten Kontext ab (83 Min. à 62 Min.). Insgesamt bleibt demnach eine Zunahme der wöchentlichen Bewegungszeit von 15 Minuten [7]. Seit 2010 verzeichnet der organisierte Sport jedoch einen leichten Rückgang der Vereinsmitgliedschaften [8].

Bewegungsempfehlungen

Weihrauch-Brüher et al. (2018) definieren folgende zentrale Punkte zur Förderung eines aktiven Lebensstils und zur Reduktion von Sitzzeiten [9]:

  • 3-5-Jährige mind. 60 Min strukturierte körperliche Aktivität
  • Ab 3 Jahren zusätzlich mind. 60 min unstrukturierte körperliche Aktivität
  • Kinder ab drei Jahren sollten nicht länger als 60 Minuten am Stück körperlich inaktiv sein! (Ausnahme Schlafenszeiten)
  • Erwerb grundlegender motorischer Fähigkeiten für spätere Integration in körperliche Aktivität und Sport
  • Ab dem Schulalter mind. 60 Minuten moderate bis intensive körperliche Aktivität pro Tag (oder mind. 10.000 Schritte)
  • In der Adoleszenz mind. 90 Minuten moderate bis intensive körperliche Aktivität pro Tag (oder mind. 12.000 Schritte)
  • Die Bewegungszeit muss nicht am Stück absolviert werden, sondern kann in kleinen Einheiten von 15 Minuten umgesetzt werden.
  • Begrenzung der Sitzzeiten bei Jugendlichen auf zwei Stunden pro Tag
  • Zugang zu Bewegungsmöglichkeiten indoor wie outdoor.
  • Schulung der Eltern zu Handlungs- und Effektwissen im Kontext Bewegung
  • Schulung der Kinder zu Handlungs- und Effektwissen im Kontext Bewegung

Darüber hinaus geben Sie Empfehlungen für die Reduktion von Bildschirmzeiten:

  • Keine Bildschirmzeit für Kinder unter drei Jahren
  • Bildschirmzeit für Kinder von 3-6 Jahrenà 30 Min.
  • Bildschirmzeit für Kinder von 7-11 Jahren à 60 Min.
  • Bildschirmzeit für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren à 120 Min.
  • Kein TV im Kinderzimmer

 

Autor:

Maximilian Köppel

Deutscher Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS) e.V.

Vogelsanger Weg 48

50354 Hürth-Efferen

Maximilian.Koeppel@outlook.de

 

Literatur:

[1] WHO (2022). Global tatus report on physical ctivity 2022. World Health Organization; 9. Im Internet: https://www.who.int/publications/i/item/9789240059153; Stand: 18.01.2023

[2] Steene-Johannessen, J., Hansen, B. H., Dalene, K. E., Kolle, E., Northstone, K., Moller, N. C., ... & Ekelund, U. (2020). Variations in accelerometry measured physical activity and sedentary time across Europe–harmonized analyses of 47,497 children and adolescents. International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity, 17(1), 1 – 14

[3] Finger, J. D., Varnaccia, G., Borrmann, A., & Lange, C. (2018). Korperliche Aktivitat von Kindern und Jugendlichen in Deutschland–Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends. Journal of Health Monitoring, 3(1)

[4] Huber, G., & Köppel, M. (2017). Analyse der Sitzzeiten von Kindern und Jugendlichen zwischen 4 und 20 Jahren. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 68(4), 101 – 106.

[5] Kobel, S., Kettner, S., Lammle, C., & Steinacker, J. M. (2017). Physical activity of German children during different segments of the school day. Journal of Public Health, 25, 29 – 35.

[6] Spengler, S., Mess, F., & Woll, A. (2015). Do media use and physical activity compete in adolescents? Results of the MoMo study. PLoS One, 10(12), e0142544.

[7] Schmidt, S. C., Henn, A., Albrecht, C., & Woll, A. (2017). Physical activity of German children and adolescents 2003–2012: the MoMostudy. International journal of environmental research and public health, 14(11), 1375.

[8] DOSB (2017). Mitgliederentwicklung in Sportvereinen 2000 bis 2015 . Bestand, Veranderungen und Perspektiven. Online Zugriff am 16. Dezember 2022 unter https://www.dosb.de/medienservice/statistiken

[9] Weihrauch-Bluher, S., Kromeyer-Hauschild, K., Graf, C., Widhalm, K., Korsten-Reck, U., Jodicke, B., ... & Wiegand, S. (2018). Current guidelines for obesity prevention in childhood and adolescence. Obesity facts, 11(3), 263 – 276.

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