Blog-Reihe zum Thema Klimaschutz, Lebensstil und Bewegung: Die Synergieeffekte eines aktiven und klimafreundlichen Lebensstils

Die menschgemachte Veränderung des Klimas ist zwangsläufig eine Krise der globalen öffentlichen Gesundheit. Die existenzielle Bedrohung der Klimakatastrophe erfordert somit ein Zusammendenken und -wirken vom gesundheitlichen Handlungsfeld Bewegung und Klimaschutz. Dahingehend wird wissenschaftlich immer deutlicher nachgewiesen, dass ein klimafreundlicher Lebensstil letztlich auch ein gesunder Lebensstil ist – zusammenhängende Effekte von Klimaschutz und Gesundheit erzeugen Synergismen und werden als Health Co-Benefits bezeichnet [1].

Verhaltenspräventive, den Lebensstil adressierende Maßnahmen sind wirkungsvoller, wenn die Verhältnisse gesundheitsförderlicher für alle gestaltet sind (Abb. 1): dazu gehören verhältnispräventive Maßnahmen und als Fundament die sozioökonomische Determination – „making the healthy choice the easy choice“ [2]. Der so sehr gewünschte Impact verhaltenspräventiver Maßnahmen zur Bewegungsförderung sowie die erwähnten Synergieeffekte hinsichtlich Klimaschutz und Gesundheit wären umso größer, je gesünder und gerechter die Verhältnisse wären, in denen wir zusammenleben.

Abb.1.pngAbb.1.png

Abbildung 1: modifiziert und übersetzt nach Frieden [2]

Planetary Health & Health Co-Benefits

Planetary Health beschreibt die Wechselwirkung von menschlicher Gesundheit und Umweltgesundheit: Ohne Umweltgesundheit kann es menschliche Gesundheit nicht geben. Ganz konkret bedeutet dies: Um die Gesundheit der Menschen weiterhin zu sichern und zu fördern, ist es notwendig, die Gesundheit des Planeten, von der die menschliche Gesundheit abhängt, zu schützen und zu pflegen. Health Co-Benefits sind positive „Nebeneffekte“ bzw. Win-Win-Strategien im Zusammenspiel von Klimaschutzmaßnahmen und Gesundheit. Es geht hier also zentral um unseren Lebensstil: viele Verhaltensweisen, welche gesundheitsförderlich wirken, senken Emissionen. Der Lebensstil vieler Menschen – insbesondere des globalen Nordens – ist ressourcentechnisch unvereinbar mit den Klimazielen. Der Lebensstil ist zudem ein sog. sozialer Kipppunkt. Soziale Kipppunkte sind Dynamiken, die eine kollektive Richtungsänderung vorantreiben. Die sozialen Kipppunkte leiten sich aus den ungleich erzeugten und weiterhin ansteigenden Emissionen ab, welche hauptsächlich folgende Bereiche betreffen: Nicht-nachhaltige Energieversorgung, zerstörerische Landnutzung/Extraktivismus, Lebensstil, Konsum und Produktion [3].

In der wissenschaftlichen Literatur wurden in der Analyse von Klimaschutzmaßnahmen und klimafreundlichem Lebensstil eine Vielzahl von positiven Nebeneffekten und Synergismen für die Gesundheit festgestellt und quantifiziert. Das erste Mal sind diese im vierten Sachstandsbericht vom Weltklimarat (IPCC) definiert worden [4]. Eine exemplarische lebensstilorientierte Klimaschutzmaßnahme, welche die Gesundheit und gleichzeitig das Ökosystem schützt, ist ein aktiver emissionsarmer Transport.

Was lässt sich daran verdeutlichen? Die Transformationsansprüche einer klimafreundlichen Gesellschaft haben viele Überschneidungspunkte mit denen einer Gesellschaft, die einen gesunden Lebensstil pflegt. Für das Verständnis und als handlungsleitendes Modell wurden durch das Institut für Klimafolgenforschung (PIK) insgesamt sechs „Social Tipping Elements“ (Soziale Kippelemente), die zu einer Stabilisierung des Erdsystems hinsichtlich des Klimas bis 2050 beitragen sollen, definiert [3]. Soziale Kippelemente (STE) sind übergeordnete Kategorien, die mehrere soziale Kipppunkte zusammenfassen. Hier wird eben auch der „Lifestyle“ (Lebensstil) als zentrales Fragment hinzugezogen, um, wie es im Social Tipping Element 2 (STE2) „building carbon-neutral cities“ festgeschrieben ist, Lebensräume Kohlendioxid-neutral umzugestalten. In dem Zusammenhang ist das STE 5 „strengthening climate education and engagement“ ebenso hervorzuheben. Daran anknüpfend lässt sich der zuletzt erschienene „Global Status Report On Physical Activity“ [5] der wiederum Ziele zur Steigerung der körperlichen Aktivität des GAPPAs (Global Action Plan On Physical Activity) aufgreift, hinzuziehen [6]. Im Bericht werden vier zentrale Ansätze der Lebensphasen-orientierten Bewegungsförderung aufgezeigt, die bis 2030 gestärkt werden sollen:

  1. Aktive Systeme: Politische Rahmenbedingungen schaffen sowie Leitlinien für einen bewegungsreicheren Lebensstil definieren
  2. Aktive Gesellschaften: Massen-Kommunikation sowie Massen-Veranstaltungen zur Förderung von Bewegung
  3. Aktive Umwelt: v. a. Umstrukturierung des Individualverkehrs in Städten/Aktiver Transport
  4. Aktive Menschen: Zugang zu Bewegungsmöglichkeiten in den Settings, in denen Menschen ihren Alltag verbringen

So lässt sich folgende Annahme formulieren: Wenn Menschen sich mehr bewegen, ist dies ein Beitrag zur Verhinderung des Klimawandels, indem Emissionen eingespart werden: einerseits direkt durch emissions-ärmere Fortbewegung, andererseits perspektivisch durch die Verhinderung von Krankheiten – insbesondere von nicht-übertragbaren Krankheiten (NCDs).

Im nächsten Beitrag der Reihe geht es um Bewegung als Health Co-Benefit

-          Wo können nun Synergieeffekte im Handlungsfeld Gesundheit in Wechselwirkung mit Klimaschutzmaßnahmen entstehen?

-          Welche konkreten Maßnahmen führen zu Synergismen zwischen Klimaschutz und Bewegung?

 

Autor:

Martin Steffen

Deutscher Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS) e.V.

Vogelsanger Weg 48

50354 Hürth-Efferen

martin.steffen@dvgs.de

Literatur:

[1] The Lancet. The Lancet Countdown on health and climate change. Policy Brief für Deutschland 2020 (Dezember 2020). Im Internet: https://klimagesund.de/wp-content/uploads/2020/12/Lancet-Countdown-Policy-Brief-Germany_DEU.pdf; Stand: 05.04.2023

[2] Frieden T R. A framework for public health action: the health impact pyramid. Am J Public Health 2010; 100(4): 590-5. doi: 10.2105/AJPH.2009.185652.

[3] Otto I M, Donges J F, Cremades R et al.
Social tipping dynamics for stabilizing Earth’s climate by 2050,
Proceedings of the National Academy of Sciences USA (2020). Im Internet: https://www.pik-potsdam.de/en/institute/departments/activities/copan/news/paper-social-tipping-dynamics-for-stabilizing-the-earth-system-by-2050; Stand: 05.04.2023

[4] International Panel for Climate Change. Climate Change 2007: Synthesis Report (September 2008). Im Internet: https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/08/IPCC2007-SYR-german.pdf; Stand: 05.04.2023

[5] World Health Organization. Global status report on physical activity Geneva: World Health Organization; 2022. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO

[6] World Health Organization. Global Action Plan On Physical Activity.
More active people for a healthier world 2018. Im Internet: https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/272722/9789241514187-eng.pdf; Stand: 05.04.2023

Gelesen 766 mal Letzte Änderung am Freitag, 26 Mai 2023 15:57

Schreibe einen Kommentar

Mit der Nutzung dieses Kommentar-Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden.