B&G abonnieren

Inhalt

149 Das „H“ in (H)IIT: Hohe Intensität und „Intensivierung“ als Forschungs- und Anwendungstrend
Billy Sperlich

Wissenschaft

152 Hochintensives Intervalltraining im Schulsetting – effektiv zur Verbesserung der kardiovaskulären Leistungsfähigkeit?
Florian A. Engel, Nikolai Bauer

160 Veranstaltungen

Wissenschaft

161 Höher-intensive Bewegung im Alltag und ihr Potenzial für die Bewegungsförderung
Birgit Wallmann-Sperlich

167 Besondere geschlechterspezifische Unterschiede von HIIT im Gesundheitssport auf Herzkreislaufparameter und Körperzusammensetzung
Christoph Zinner

171 HIT im Alterungsprozess
Jürgen Gießing

176 Hochintensives (Kraft-)Training (HIT-KT) und Osteoporose: Die randomisierte kontrollierte Fränkische Osteopenie und Sarkopenie-Studie (FrOST)
Wolfgang Kemmler, Simon von Stengel

181 Nutzen und Grenzen mobiler und tragbarer Technologien zur Individualisierung von hochintensivem Intervalltraining in der Bewegungstherapie Peter Düking,
Billy Sperlich

Journal Club

187 Hoch-intensives Intervalltraining verbessert die Fitness vor einer Operation
Billy Sperlich

Praxis

189 Praxisbeispiel HIIT in der Onkologie
Nikolai Bauer, Joachim Wiskemann, Friederike Rosenberger

Neues von peb

193  Neustart der Plattform Ernährung und Bewegung!
Mirko Eichner

194 Forum der Industrie

196 DVGS News

Editorial

Das „H“ in (H)IIT: Hohe Intensität und „Intensivierung“ als Forschungs- und Anwendungstrend

High-intensity interval training (HIIT) boomt in der Sportpraxis sowie in der (Sport)Wissenschaft. In der größten biomedizinischen Datenbank (PubMed) finden sich (Stand: März 2022) 3943 Treffer zu dem Suchbegriff „high-intensity interval training“, und die Google- Recherche liefert > 120 Mio. Ergebnisse. ▶Abb. 1 gibt einen Überblick über die Anzahl an Veröffentlichungen zu unterschiedlichen Such begriffen im Zusammenhang mit HIIT in PubMed.

Die Zeitreihenanalyse der verschiedenen Suchbegriffe zeigt das explosionsartige Forschungsaufkommen (aktuell mehr als 700 Veröffentlichungen/Jahr) in dem Themenbereich „HIIT“ der letzten 10 Jahre. Pandemiebedingt ist davon auszugehen, dass viele experimentelle Studien mit HIIT abgebrochen werden mussten bzw. zeitlich verschoben wurden, sodass davon auszugehen ist, dass sich aktuell viele Arbeitskreise eher auf die differenzierte Aufarbeitung der bestehenden Literatur fokussiert haben und werden. Aktuell gibt es 360 Übersichtsartikel sowie 175 Metaanalysen zu HIIT, was die Bedeutung des Themenfeldes unterstreicht.

Zur heutigen Zeit passend gibt es auch Befunde zu HIIT in Zusammenhang mit Covid-19. Interessanterweise lassen sich aber nur wenige Treffer in der PubMed zu „HIIT + contraindication“ finden.

In der letzten B&G-Ausgabe mit dem Schwerpunkt (Hoch-)intensives Intervalltraining [ 1 ] haben Kolleginnen und Kollegen unterschiedliche Facetten von HIIT in der Bewegungstherapie präsentiert.
Drei Jahre später ist nun das Ziel, nicht nur das „reine“ HIIT, sondern insgesamt den Nutzen und das Monitoring „höherer und hoher Intensität“ in der Therapie sowie im Alltag unterschiedlicher Populationen und Settings zu beleuchten.

In dieser Beitragsreihe wollten wir vor allem aktuelle Trends aufgreifen, die aus bewegungstherapeutischer Sicht interessante Forschungs- und Anwendungsfelder im Bereich des HIIT darstellen:
Peter Düking liefert in seinem Beitrag einen Überblick über aktuelle Technologien zur Trainingssteuerung und -diagnostik von intensiver körperlicher Belastung. Christoph Zinners Beitrag befasst sich mit den besonderen geschlechterspezifischen Unterschieden von HIIT im Gesundheitssport. Florian Engel und Nikolai Baur diskutieren die Möglichkeiten und Grenzen von HIIT zur Bewegungs- und Gesundheitsförderung in der Schule, und Jürgen Gießing zeigt die Möglichkeiten intensiven Krafttrainings im Altersverlauf auf. Die Beiträge von Nikolai Bauer et al. sowie Wolfgang Kemmler und Simon von Stengel zeigen mögliche Trainingsgestaltungen von HIIT in der onkologischen Bewegungstherapie sowie bei Osteopenie und Sarkopenie auf. Interpersonell betrachtet wird das „H“ in HIIT sehr unterschiedlich wahrgenommen wie auch praktiziert. Manche Therapieformen oder Alltagsbelastungen mögen für manche Personen zwar absolut betrachtet „hoch“ sein, relativ zum Trainingszustand einer anderen Person gesehen aber eher unter- manchmal auch überfordernd. Birgit Sperlichs Beitrag zeigt in diesem Zusammenhang, welches Potenzial unstrukturierte intensive Alltagsaktivitäten zur Bewegungsförderung haben und warum „Alltags-HIIT“ aus wissenschaftlicher und bewegungspraktischer Perspektive vermehrt Beachtung geschenkt werden sollte.

Aus meiner Sicht stellt nach wie vor die Definition von „H“ in HIIT ein nicht gelöstes Problem in der Literatur und Praxis dar und erschwert die Vergleichbarkeit von Studienbefunden und Trainingsmaßnahmen erheblich. Für eine Person, die längere Zeit aufgrund von Operation oder Krankheit inaktiv war, werden bereits die ersten längeren Gehintervalle oder bestimmte Alltagsaktivitäten als (hoch)intensiv wahrgenommen. Ein strukturiertes HIIT käme für diese Person aufgrund von psychophysischer Überforderung sicher nicht in Frage.

▶Abb. 2 zeigt das Problem der „individuellen Intensitätsdosis“, die vor einer Intervention festgelegt wird: HIIT (z. B. 4 × 4-min Lauf- oder Radergometertraining mit 90 % der maximalen Herzfrequenz, 2–4x pro Woche über 3–9 Wochen durchgeführt) führt trotz „individueller“ hoher Intensität bei Personen mit ähnlicher Ausgangsfitness (gemessen an der maximalen Sauerstoffaufnahme) zu erheblicher interindividueller Trainingsanpassung.

Diese Grafik zeigt recht eindrücklich, dass Training mit vermeintlich „individueller“ Trainingsintensität sehr unterschiedliche Trainingsanpassungen zur Folge hat. Als Community sollten wir gemeinsam bestrebt sein, das „H“ nicht als reines > 90 % von einer Bezugsgröße X (welches x-mal pro Woche durchgeführt wird) absolut zu definieren, sondern „H“ aus der individuellen Perspektive anhand der aktuellen Fähigkeiten, des momentanen Trainingszustands sowie der Alltagsbelastung situativ und variabel angepasst definieren und entsprechend der vereinbarten Ziele zu steuern. Daraus ergibt sich automatisch eine persönliche „Intensitäts-Signatur“ und keine „HIIT-Blaupausenempfehlung“. Dadurch kämen wir der individuellen Steuerung von Trainingsprozessen mit „H“ ein wenig näher.

Literatur


[1] Sperlich B . Die HIIT-Parade im Ausdauertraining . B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2019 ; 35 :57 – 60